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Kündigung während Kurzarbeit – wie hoch ist der Lohnanspruch während der Kündigungsfrist?

27. April 2020

Aufgrund massiver Umsatzeinbußen in nahezu allen Wirtschaftssektoren musste in Deutschland seit Beginn der Corona-Krise in zahllosen Fällen Kurzarbeit angeordnet werden. Hierdurch wollen die betroffenen Unternehmen Entlassungen vermeiden und gleichzeitig finanziellen Schieflagen entgegenwirken. Trotz alledem kann es zur betriebsbedingten Kündigung kommen. Doch was passiert in dem Fall mit dem Arbeitsverhältnis? Von wem kann der Arbeitnehmer in welcher Höhe seinen Lohn verlangen?

Betriebsbedingte Kündigungen sind grundsätzlich auch während der Kurzarbeit möglich. Hierzu müssen sich nach Einführung der Kurzarbeit die äußeren Umstände verändert haben und neue, dringende Gründe hinzutreten. Kurzarbeit basiert nämlich auf einem nur vorübergehenden Arbeitsausfall, während die betriebsbedingte Kündigung einen langfristigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit verlangt.

Nach einer betriebsbedingten Kündigung in Zeiten der Kurzarbeit stellen sich gleich mehrere Fragen. Gelten für das Arbeitsverhältnis weiterhin die Regelungen der Kurzarbeit oder erhält der Arbeitnehmer bis zum Ende der Kündigungsfrist seinen vollen Lohnanspruch „zurück“?

Zumindest verliert der Arbeitnehmer mit Ausspruch der Kündigung gem. § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III seinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (KUG), da dieses seinen arbeitsplatzsichernden Zweck nicht mehr erfüllen kann. Damit rückt vor allem die Frage nach einem Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber in den Fokus.

Sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung existieren kaum belastbare Quellen zu dieser Frage. Hieraus wird ersichtlich, in was für einer Ausnahmesituation sich betroffene Unternehmen infolge der COVID19-Pandemie befinden. Doch gerade dieses Regelungsvakuum birgt auch Chancen und ermöglicht eine argumentative Auseinandersetzung mit der Fragestellung. Dabei sind die folgenden Grundsätze zu berücksichtigen.

I. Regelungen in Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag

Zunächst sollte der Arbeitgeber in einschlägigen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen nach Klauseln zur Kündigung bei Kurzarbeit suchen. Nicht selten existieren ausdrückliche Regelugen zum Lohnanspruch nach Kündigungen während der Kurzarbeit. Meist sind diese arbeitnehmerfreundlich ausgestaltet und sprechen einen vollen Entgeltanspruch bis zum Ende der Kündigungsfrist zu. In anderen ist die arbeitsrechtliche Einführung von Kurzarbeit an die Auszahlung von KUG gekoppelt, was auch auf diesem Wege zu einem vollen Aufleben des Lohnanspruchs nach Wegfall der Kurzarbeit führt. Fehlt eine entsprechende Regelung, so sind die allgemeinen Grundsätze zur Lohnzahlungspflicht heranzuziehen.

II. Hinfälligkeit der Kurzarbeit

Wenn ausdrückliche Vereinbarungen fehlen, ist für die Vergütungspflicht von entscheidender Bedeutung, ob für den betroffenen Arbeitnehmer weiterhin Kurzarbeit gilt, oder ob die Kurzarbeit mit Ausspruch der Kündigung hinfällig geworden ist und der Arbeitnehmer wieder seinen vollen Lohn verlangen kann.

 

  1. Auslegung

Die Einführung von Kurzarbeit kann auf mehrere unterschiedliche Rechtsgrundlagen zurückgehen (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Individualvereinbarung). Auch wenn diese Rechtsgrundlagen sich in ihrem Rechtscharakter sowie ihrer Wirkweise unterscheiden, sind sie alle einer Auslegung zugänglich. Deshalb sind die Folgen der Kündigung für die Kurzarbeitsvereinbarung zunächst im Wege der Auslegung zu ermitteln, wobei die konkrete Ausgestaltung der Rechtsgrundlage mit einzubeziehen ist.

Das LAG Hamburg ist bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung vom Begriff der „Kurzarbeit“ ausgegangen. Der Begriff deute darauf hin, dass die Beteiligten eine Regelung treffen wollten, die an die sozialrechtlichen Regelungen zur Kurzarbeit anknüpft und mit diesen Regelungen zumindest nicht in Widerspruch steht. Zweck der Vereinbarung über Kurzarbeit ist es, Entlassungen für den Zeitraum der Geltung der Kurzarbeiterregelung zu vermeiden Unter Verweis auf die Tatsache, dass ein KUG-Anspruch nur im ungekündigten Arbeitsverhältnis besteht, hielt es – bei leicht abgewandelter Fallkonstellation – eine Kurzarbeitsvereinbarung für nicht auf bereits gekündigte Arbeitnehmer anwendbar, da es nicht sei könne, dass diejenigen für die der Zweck der Kurzarbeit noch erreicht werden kann, einen finanziellen. Ausgleich erhielten, während die bereits Gekündigten die Gehaltseinbuße selbst tragen müssten (LAG Hamburg, 10.5.2007 – 8 Sa 69/06, BeckRS 2009, 57472, unter 3 b) cc)).

Letztlich wird die Einführung von Kurzarbeit immer einen inhaltlichen Bogen zum sozialversicherungsrechtlichen KUG spannen. Hieraus allein wird sich aber nicht der Schluss ziehen lassen, dass sämtliche Vereinbarungen und Verträge die Beendigung der Kurzarbeit vorsehen, sobald eine Kündigung ausgesprochen wird. Das Interesse des finanziellen Ausgleichs, das das Urteil des LAG Hamburg gerecht zu werden sucht, lässt sich auch ohne Wegfall der Kurzarbeitsvereinbarung gerecht werden.

Vielmehr geht der Grundsatz dahin, dass die Nichtgewährung von KUG – per se – nicht auf die arbeitsrechtliche Dimension der Kurzarbeit durchschlägt (BAG, 11.07.1990 – 5 AZR 557/89, NZA 1991, 67). Daher lässt sich arbeitgeberfreundlich argumentieren, dass ohne besondere Anhaltspunkte in der Rechtsgrundlage eine Bedingung der Kurzarbeit durch die Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht gefolgert werden kann.

 

  1. Störung der Geschäftsgrundlage

Auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage bezüglich der Vereinbarung zur Kurzarbeit nach § 313 BGB ließe sich diskutieren. Sind nicht beide Parteien bei der Vereinbarung von Kurzarbeit davon ausgegangen, dass die Bundesagentur für Arbeit das KUG zahlen wird? Diese Frage lässt sich ebenfalls nur anhand allgemeiner Erwägungen erörtern, da sie noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde.

Die Störung der Geschäftsgrundlage setzt einen Vertrag voraus. Individualvertraglich vereinbarte Kurzarbeit ist darunter unproblematisch zu fassen. Es ist aber bereits umstritten, ob und wieweit § 313 BGB auf Tarifverträge analog anwendbar ist. Selbst die Stimmen, die eine grundsätzliche Anwendbarkeit bejahen, fordern Zurückhaltung bei der Anwendung dieses Rechtsinstrumentes. Die von einem Tarifvertrag Betroffenen, sprich Arbeitgeber und Arbeitnehmer, seien in ihrem Vertrauen auf ihn besonders schutzwürdig.

Ein Berufen auf § 313 BGB durch den Arbeitnehmer erscheint auch aus einem anderen Gesichtspunkt heraus fragwürdig: Behält er den Lohnanspruch in Höhe des KUG, ändert sich seine wirtschaftliche Situation nicht. Es tritt daher schon gar keine wesentliche Änderung der zugrunde liegenden Umstände ein.

Für den Arbeitgeber bietet sich die Möglichkeit des Berufens auf § 313 BGB auch nicht, denn es ist gerade das Konzept des Gesetzgebers, dass der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko trägt. Dieses Risiko wird durch die Gewährung von KUG nur abgemildert und ihm nicht vollständig genommen. Zudem wäre die Anpassung oder Aufhebung der Vereinbarung über die Kurzarbeit auch wenig sinnvoll, denn an der Arbeitsleistung des Angestellten haben Unternehmen nach wie vor kein Interesse.

III. Allgemeiner Zahlungsanspruch

Ergibt die Auslegung, dass trotz Wegfall des KUG die Kurzarbeit fortbestehen soll, schließt sich die Frage an, ob und wieviel Gehalt der Arbeitgeber während des restlichen Bestehens des Arbeitsverhältnisses zahlen muss.

Während der Kündigungsfrist steht dem Arbeitnehmer bei nur teilweiser Kurzarbeit in jedem Fall sein verminderter Lohnanspruch gemäß § 611a Abs. 2 BGB im Umfang der eingeführten Kurzarbeit zu. Bei Kurzarbeit Null besteht dieser natürlich nicht.

Daneben dürfte höchstens ein weiterer Lohnanspruch aus §§ 611a, 615 S. 3 BGB in Höhe des KUG bestehen, nicht jedoch in Höhe des gesamten Lohnes.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko. Ist der Arbeitnehmer zu Arbeit bereit und bietet diese den §§ 295 BGB ff. entsprechend an, muss der Arbeitgeber weiterhin Lohn zahlen, auch wenn tatsächlich kein Bedarf für die Arbeitsleistung besteht, §§ 611a, 615 S. 1 BGB.

Dieses Risiko wird ihm – zumindest vorübergehend – durch die Möglichkeit der Vereinbarung von Kurzarbeit und die Zahlung von KUG durch die Bundesagentur für Arbeit genommen. §§ 611a, 615 S. 1 BGB scheiden im Falle wirksam vereinbarter Kurzarbeit als Anspruchsgrundlage für den Arbeitnehmer aus, denn sie setzen voraus, dass sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befindet. Bei einer rechtmäßig und wirksam angeordneten Kurzarbeit entfällt die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers jedoch ganz oder teilweise.

Nach dem bereits oben angeführten Urteil des BAG (BAG, 11.07.1990 – 5 AZR 557/89, NZA 1991, 67, unter I. 2.) lebt das Wirtschaftsrisiko des Arbeitnehmers durch den Verlust der staatlichen Hilfe wieder auf. Das Urteil bezieht sich zwar auf die Rücknahme des Bescheides über die Bewilligung von KUG, daraus können aber Rückschlüsse für den hier diskutierten Fall gezogen werden. Der Lohnanspruch kann jedoch maximal in Höhe des bei nur teilweiser Kurzarbeit verbleibenden verminderten Lohnanspruchs plus KUG bestehen, da der Arbeitgeber nur noch in dieser Höhe das Wirtschaftsrisiko trägt. Der Arbeitnehmer kann durch den Wegfall des KUG nicht besser stehen. Er ist aufgrund der Vereinbarung über die Kurzarbeit bis zum Ende der Kündigungsfrist weiterhin nicht mehr oder nur noch teilweise zur Arbeitsleistung verpflichtet. Hierfür kann er nicht den vollen Lohn verlangen.

IV. Chance zur proaktiven Regelung

Es bleibt den Arbeitsvertragsparteien selbstverständlich unbenommen, im Zuge der Kündigung eine einvernehmliche Regelung zur weiteren Arbeitspflicht und dem korrespondierenden Lohnanspruch zu treffen. Eine solche Regelung schafft im Interesse beider Parteien Rechtsklarheit und macht das Kostenrisiko einer Kündigung für den Arbeitgeber kalkulierbar. Freilich wird der Arbeitgeber auf die Mitwirkung des Arbeitnehmers angewiesen sein. Es empfiehlt sich daher, dem Arbeitnehmer mit Eingeständnissen zu begegnen und idealerweise die gesamte Vertragsbeendigung mit einer umfassenden Abwicklungsvereinbarung zu regeln.

Auch bevor es zu Kündigungen im Betrieb kommt, ist eine nachträgliche Regelung zur Kündigung möglich und angesichts der oben skizzierten Risiken empfehlenswert. Hierbei wird es auf das Verhandlungsgeschick des Arbeitgebers ankommen.

V. Fazit

Kündigt der Arbeitgeber während laufender Kurzarbeit, entfällt der Anspruch des Arbeitnehmers auf KUG. Es ist damit zu rechnen, dass ein Arbeitnehmer sich in der Folge an den Arbeitgeber wendet und nun von diesem seinen vollständigen Lohn fordert, womöglich mit der Auffassung „die Kurzarbeit sei ja nun hinfällig“. Existieren keine kollektivvertraglichen Regelungen zum Lohnanspruch bis zum Ende der Kündigungsfrist, kann das Begehren des Arbeitnehmers zumindest teilweise zurückgewiesen und der Lohnanspruch für die Dauer der Kündigungsfrist auf die Höhe des KUG begrenzt werden. Bei nur teilweiser Kurzarbeit erhöht sich der zu zahlenden Betrag natürlich um den auch bisher zu zahlenden vermindertem Lohnanspruch.

Autorin: Dr. Andrea Panzer-Heemeier

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